Geisterbahn

Samstag, 20. August 2016 – Elfuhreinundfünfzig, vierundzwanzig Grad. Grau. Dräut.

Freund Jürgen, mit dem Rad in Thüringen unterwegs, antwortet auf die Frage, ob der Ostnazi dort auch nicht zu zahlreich sei: „Der gewöhnliche Ostnazi geht am Sonntag mit Oma, Opa, Frau und Kleinkind durch Eisenach und trägt ein Shirt mit aufgedruckten Eisernen Kreuz und den Worten: ‚Alles den deutschen Jungs!‘ Der Ostnazi wirkt zufrieden.“

Die FAZ berichtet auf ihrer Titelseite über den Tod eines sogenannten Historikers: „Nolte, 1923 in Witten an der Ruhr geboren, studierte, da er kriegsuntauglich war, unter anderem bei Martin Heidegger“. Dass die „Zeitung für Deutschland“ ein Studium bei dem Nazi von Todtnauberg immerhin als eine Art Ersatzdienst gelten lässt, hat womöglich dazu geführt, dass sie dem andernfalls der Drückebergerei verdächtigen Nolte noch bereitwilliger ihre Seiten zur Verfügung stellte, als dieser Stalin zum Verursacher des Holocaust erklärte. Wie kurz die Wege manchmal sind.

Todestag von Werner Lansburgh („Dear Doosie“) und Rio Reiser (der um ein Haar „Die Liebe der Menschenfresser“ zum Musical gemacht hätte. Nun ja.).

Freitag, 22. April 2016 – Vierzehnuhrzwölf, fünfzehn Grad. Gestern war schöner.

Gerold Becker, der ehemalige, inzwischen verstorbene Leiter der Odenwaldschule, hat über viele Jahre hinweg Kinder und Jugendliche seines Internats missbraucht. Beckers Lebensgefährte, der Erziehungswissenschaftler Hartmut von Hentig, hat in Interviews und öffentlichen Stellungnahmen seinen Partner immer wieder in Schutz genommen und sich dadurch selbst nachhaltig beschädigt. Dieser Tage erscheint auf 1400 Seiten der zweite Teil der Lebenserinnerungen von Hentigs unter dem Titel „Noch immer Mein Leben“. In diesem Buch versucht er den Opfern eine Mitverantwortung für die an ihnen verübten Verbrechen zuzusprechen, wie Bernhard Pörksen in der jüngsten Ausgabe der „Zeit“ nachweist. Pörksen nennt diese Memoiren ein „Wahrnehmungsdesaster“, das mit „widerlichen Gedankenspielen“ auf die „erneute Demütigung“ der Missbrauchten ziele. Hartmut von Hentigs Buch erscheint im wamiki-Verlag. Das Kürzel steht, man mag es kaum fassen, für: „Was mit Kindern“.

Der begnadete Texter des Sportartikelherstellers adidas hat mir wieder eine Mail geschrieben: „Matthias, White Mountaineering bringt Style auf ein neues Level … Ein ausgewogener Mix aus Colourblocking mit zurückhaltenden Farben und typischen adidas Designs verleiht unseren Essentials einen High-Fashion-Look“.

Tot ist Carl Reuß, Schöpfer der ersten Wanderwege im Harz.